Samstag, 8. Januar 2011

Sudan: 21.12.10 – 03.01.11

Die mentale Vorbereitung aus dem letzten Reisebericht hat nicht viel geholfen. Es kam anders, als wir es uns vorgestellt hatten. Doch das ist ja eigentlich nichts Neues. Das ägyptische Ausreiseprozedere begann bereits in Assuan-City, wo wir – eigentlich auch dies nichts Unbekanntes – Papiere stempeln liessen, Gebühren bezahlten und vor allem eines: warteten. Aber dass dies gerade einen GANZEN Tag in Anspruch nehmen würde, hätten wir auch nicht gedacht. Am nächsten Morgen wurden wir (das heisst alle Europäer mit Fahrzeugen, rund 10 Fahrzeuge) von der Polizei zum Hafen von Assuan gebracht, wo wir weitere Stempel, Briefmarken und sonstige Papier erhielten (bzw. kauften) und auch das Carnet abstempeln liessen. Die Frauen machten sich derweil auf den Weg, sich auf der Fähre einen Platz auf Deck zu ergattern, denn solcher war unter den Passagieren heiss begehrt:
Unglaublich, was sich da abspielte: Mit unseren Rucksäcken bewaffnet stürmten wir durch die Menschenmenge Richtung Boot- immer mit den Ellbogen voran. Da es nur ein winziger Eingang gab und dieser dauernd verstopft war, kamen wir gehörig ins Schwitzen. Endlich im Boot angekommen, suchten wir sofort das Deck, nur leider war die Tür verschlossen. Okey, runter und den nächsten Ausgang Richtung Deck suchen. War auch nichts. So fragten wir die verschiedensten Leute nach dem Weg- immer noch mit den Ellbogen voran- und kämpften uns durch die verschiedensten Etagen- ohne Erfolg. Langsam wurde ich ungeduldig und verlangte lauthals, dass jetzt sofort jemand die Türe zum Deck öffnet. Dank Mr Salah klappte dies beim 3.Versuch und natürlich waren 2/3 des Decks bereits mit Teppichen und Taschen belegt. Zum Glück fanden wir neben der Kapitänskoje noch Platz für gerade 4 Personen und wir 2 Frauen verbarrikadierten sofort alles. Dies war auch nötig, denn 1 Stunde später war jeder cm besetzt und ich musste (bis die Männer kamen) unseren Platz heftig verteidigen.

Als ich Dotschli – welches zusammen mit den andern Fahrzeugen nicht auf der Passagier-Fähre mitkam sondern auf einem Ponton separat und natürlich langsamer als wir – auf das Ponton gebracht habe, bahnte ich mir auch einen Weg auf das Deck und war froh, oben angekommen zu sein. In den unteren Decks sassen, lagen oder standen hunderte von Passagieren in den Gängen, auf dem Boden, einfach überall. Dass die Hygiene der Menschen manchmal nicht derjenigen unserer Breitengraden entspricht, muss ich an dieser Stelle wohl kaum erwähnen, und die Hitze und das Gedränge lieferten das Ihre bei, um dazu zu führen, dass ein Aufenthalt dort unten für uns kaum aushaltbar war. Corinne und Fränzi hatten jedoch Glück und konnten ein super Plätzchen für uns vier besetzen und erfolgreich verteidigen. Die Nacht war dennoch kurz…

Am nächsten Mittag trafen wir in Wadi Halfa ein. Dotschli und Pumba würden erst einen Tag später dort ankommen, so dass wir uns vom Hafen Richtung Dorfkern aufmachten. Das Einreiseprozedere begann damit, dass wir uns registrieren lassen mussten. Und wieder dasselbe: Schalter hier, Formular da, Fotokopie machen lassen, Foto aufkleben hier, Gebühren bezahlen (knapp 40 CHF pro Person!), Marken aufkleben etc. Die Stunden vergingen….Zusammen mit Roger und Marina (junges Pärchen vom Belpberg) und Neil und Sylvie (junges Pärchen aus Südafrika) sowie Martin (Deutscher) quartierten wir uns in einem Hotel im Innenhof ein und verbrachten einen geselligen Abend in einem kleinen sympathischen Restaurant. Tags darauf holten wir uns die notwendige Foto-Erlaubnis ein. Ja, Ihr habt richtig gelesen. Für ca. 6 CHF muss sich jeder Tourist im Sudan eine Erlaubnis kaufen, damit er fotografieren darf. Natürlich wieder mit Formular, Foto und Geduld. Gegen Mittag kam dann der Ponton mit den Fahrzeugen an – welch Erleichterung: die Autos waren unversehrt und so, wie wir die Fahrzeuge verladen hatten. Zuerst versuchten wir, die Einreise der Fahrzeuge ohne Hilfe von Schleppern zu erledigen. Doch die Bürokratie und der Filz war zu stark, so dass wir nach ca. 2 Stunden aufgaben und für 40 US-Dollar einen Schlepper beizogen, damit wir am gleichen Tag noch wegkamen. Wir hatten uns mit Roger, Marina, Neil und Sylvie zusammengeschlossen und fuhren noch ca. 5 km in die Wüste, um unser Nachtlager aufzuschlagen. Wie froh waren wir, wieder in unseren Betten zu schlafen und nicht vom Muezzin geweckt zu werden!

Nach einem üppigen Frühstück fuhren wir dem Nil entlang Richtung Dongola. Pause mit kurzem Bad im Nil – nein, kein Krokodil hat uns gefressen – und erster Kontakt mit einheimischer Bevölkerung, nubischen Sudanesen. Zurückhaltend, freundlich und überaus angenehm im Vergleich zu den meist aufdringlichen Ägyptern…Den 24. Dezember verbrachten wir nicht zu acht, nein, sondern – hm…wie viele waren es nun genau? – zusammen mit einer Familie aus Paris (zu fünft in einem Lastwagen für 3 Jahre unterwegs: www.chamaco.fr) und einer Familie aus Belgien (zu siebt in einem Lastwagen für 1 Jahr unterwegs: www.septavivre.be). In einem kleinen Dorf kauften wir mehrere Güggeli, Gemüse und Brot ein und bauten uns dann an unserem Rastplatz in der Wüste aus Steinen einen Ofen, in welchem frisches Brot, Chicken, Schokoladenkuchen und Kartoffeln zubereitet wurden. Alle haben ein bisschen am Weihnachtsmahl beigetragen. Muli-Kulti an einem riesigen Weihnachtstisch! Am 25. Dezember genossen wir wieder einmal einen Tag frei: Reisebericht schreiben, am Auto basteln, Nähen, Plaudern, Musik und Fotos austauschen, putzen…das tat gut!

Weiter gings dem Nil entlang auf einer Strasse, welche wohl erst vor kurzem geteert wurde. Die Dörfer in dieser Gegend waren noch ursprünglich, alle aus Lehm gebaut. In Dongola trennten wir uns von Fränzi, Gerry und den zwei andern Pärchen. Wir schlugen den direkten Weg Richtung Khartoum ein und wollen den recht langen Umweg nicht fahren, um weitere Pyramiden zu sehen. Der Weg führte uns vorerst weiter am Nil entlang Richtung Süden – Landwirtschaft zur Selbstversorgung mit primitivsten Mitteln: alte Dieselgeneratoren pumpen Wasser aus dem Nil auf die Felder, welche alle von Hand besorgt werden. Mais, Zuckerrohr, Hirse und uns unbekannte Pflanzen werden angebaut. Überaus freundliche und zurückhaltende Bauern zeigten uns voller Stolz ihre Felder und Wasserkanäle zur Bewässerung.

In Abu Dom zweigten wir direkt Richtung Khartoum ab, wiederum hinein in ein grosses Wüstengebiet. Nach einer ruhigen Nacht bestiegen wir einen kleinen Berg mitten in der Einöde – grandiose Aussicht und – fast wie zu Hause im Schnee nur diesmal mit Sand-Wächten, gemischtem Gelände am Gipfel und spassigem Abstieg im weichen Sand. Ein weiterer Tag im Auto, am Abend waschen und Auto versuchen zu reparieren: Obwohl der Schalter auf den hinteren Zusatz-Tank gestellt war, nahm der Motor vom vorderen Haupt-Tank…also wechselte ich erst mal den hinteren Dieselfilter und der sah wirklich recht schlimm aus. Dass ich und die Militärplane danach mit Diesel getränkt waren, wäre nicht nötig gewesen…Doch leider war damit das Problem nicht gelöst – der hintere Tank wurde nicht mehr „angesteuert“. Am Abend dann “ mmmh“, feine Berner Rösti aus dem Beutel und Zucchetti zum Znacht ;-).

Am nächsten Tag kam endlich Khartoum in Sicht. Zuerst versuchten wir, bei der offiziellen Toyota-Garage einen Ersatz-Dieselfilter zu kaufen. Leider vergeblich,da dies kein Original-Toyota-Filter war (der Zusatztank ist nicht Original, sondern ein Zubehör, das nachträglich eingebaut wurde). Weitere 3 Stunden Suche im Schrauberviertel von Khartoum brachten leider nicht den gewünschten Erfolg. Glücklicherweise trafen wir einen reichen Sudanesen (in Deutschland studiert, Inhaber einer Wasserfirma), der uns weiterhalf und uns einen ähnlichen Filter und einen Dieselkanister besorgte (zum Umfüllen, wenn wir das Ventil nicht flicken können). Partout wollte dieser weder Geld noch sonstwas dafür haben! Sudanesische Gastfreundschaft einmal mehr. Auf dem Campingplatz in Khartoum trafen wir die andern drei Pärchen wieder und wir machten uns auf, die Vorräte wieder zu füllen. Im modernen Einkaufszentrum bekamen wir fast alles, was wir in der Migros auch kaufen könnten. Die Preise waren jedoch happig (fast Schweizer Niveau) und das Einkaufszentrum dementsprechend nur von der khartoumer Oberschicht besucht, sprich: fast leer.

Nun wollten wir den Dinder Nationalpark im Süden Sudans besuchen. Aus Reiseberichten las Neil, dass die Ticktes dafür in Dinder selber gekauft werden müssten. Ein weiterer Tag im Auto über Wad Madani, Sennar und Singa, bis wir dort eintrafen. Im Büro des Oberguru nahm dieser selber erst einmal unsere Personalien auf und nannte uns den Preis des Nationalparks: 100 US-Dollar pro Person pro Tag. War das nun ein Witz oder nicht? Leider nein. Wir protestierten, worauf dieser ausrichten liess, dass wir den Park gar nicht mehr besuchen dürften. Als wir ihm dann erklärten, dass wir alle Internet-Homepages hätten und schreiben würden, dass dies eine Abzocke sondergleichen sei und dann niemand mehr in den Park kommen würde, erhielten wir plötzlich die Genehmigung. Der Preis würde dann am Eingang des Parks festgelegt werden, er habe darauf keinen Einfluss. Wir bekamen einen bewaffneten Guide mit und fuhren ca. 150 km offroad (= 6 Stunden!) zum Parkeingang. Und dies an Silvester! Die Autos wurden arg strapaziert, es schüttelte und schlug andauernd, die „Strasse“ bzw. der Track war mieserabel. Müde kamen wir gegen 18 Uhr am Parkeingang an, wo wir wieder registriert wurden und – welch Wunder – der Preis noch nicht festgelegt werden konnte. Wir müssten dafür ins Camp im Park fahren, weitere 28 km, hiess es. OK, machen wir doch. Eine weitere Stunde nun durch den Park, leider schon im Eindunkeln. Die Vegetation änderte und wir sahen sogar Affen (OK, ich leider nicht, da ich meine Augen auf dem Weg hatte…), diverse Vogelarten und sowas wie Antilopen. Der Weg wurde immer enger, die Büsche und Bäume kratzten an unseren Autos, ein übles Geräusch…Beim Camp angekommen erklärten uns die Verantwortlichen dort, dass wir 100 US-Dollar pro Person pro Tag zu bezahlen hätten….nach unserem Protest hiess es dann, dass es noch 50 Dollar seien und so ging es hin und her, bis wir für 50 Dollar für uns alle eine Nacht dort verbringen hätten dürfen. Auch das war noch zuviel – wir sahen aufgrund der Dunkelheit nichts und hätten den Park am Morgen schon wieder verlassen müssen. Als dann auch die Toilette kosten sollte, platzte Neil der Kragen und wir packten unsere sieben Sachen und erklärten, dass wir den Park jetzt noch verlassen würden. Dies versuchten sie zu verhindern, da in der Nacht nicht gefahren werden dürfe und wir ja schon im Park seien und nun bezahlen müssten. Doch nach alledem war uns das ziemlich egal und wir fuhren los. Der Guide – welcher die ganze Zeit zwischen den Fronten zu vermitteln versuchte – war verzweifelt, doch wahrscheinlich wusste er wohl schon zu Beginn des „Spielchens“, wie dieses ablaufen würde. Also fuhren wir weitere 2 Stunden durch den Busch – den Jahreswechsel verbrachten wir also im Auto, immerhin konnten wir uns kurz per Lichthupe gratulieren…So, genug Nationalpark, genug Sudan, jetzt wollten wir Richtung Äthiopien. Doch dies war gar nicht so einfach, weil wir wirklich im sudanesischen Busch waren und ohne „richtige“ Karte (auf unserer waren kaum Tracks eingezeichnet), ohne Tracks im GPS die Orientierung gar nicht so einfach war. Also fuhren wir mit Hilfe des Kompasses in die ungefähre Richtung, in welcher wir die Hauptstrasse nach Äthiopien vermuteten. Die Wege führten leider mehr als einmal in eine Sackgasse, einen Sumpf oder verliefen sich im Nichts…

Dafür sahen wir Orte, welche noch richtig ursprünglich waren, die Leute dort wohl noch nie einen Tourist oder eine weisse Person gesehen hatten. Es war wirklich spannend und abwechslungsreich…Auch eine schöne Offroad-Einlage sorgte für Spannung. Die Temperaturen kletterten auf ca. 40 Grad und wir waren das erste Mal richtig froh, dass Dotschli eine Klimaanlage hat.

In Gedaref füllten wir Wasser, Diesel und Vorräte auf und fuhren Richtung Grenze. Die Ausreise aus dem Sudan war rasch erledigt, ein Kinderspiel im Vergleich zur Einreise in Wadi Halfa.


Fazit Sudan:

Landschaftlich bietet der Sudan als Reiseland ausser der langen Nil-Oase und den verschiedenen Wüstengebieten nicht wahnsinnig viel. Die Leute hingegen begegneten uns im Vergleich zu den Einwohnern Ägyptens sehr unaufdringlich, freundlich, zurückhaltend und hilfsbereit. Wir wurden kein einziges Mal um Geld oder sonstige Dinge gebeten. Da wir viel selber gekocht hatten, können wir über das sudaneische Essen nicht viel sagen. Die Gemüsestände waren jedoch reichhaltig und das Fladenbrot war wiederum überall zu erhalten. Ausser die Episode im Dinder-Nationalpark sowie der Einreise in Wadi Halfa erlebten wir den Sudan als positiv, insbesondere deshalb, weil wir so viel und vorallem ungestört in der Wildnis campen konnten.

2 Kommentare:

  1. Hoi zäme.
    Schöne wieder von Euch zu hören. Eure Sudanerfahrungen decken sich mit unseren sehr gut. Schön, dass es Euch gut geht.
    Nun wünsch ich Euch alles Gute für Äthiopien. Geniesst die Tour und "drive save"
    Gruss
    jonas

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  2. Hallo dir zwöi, ich lese immer sehr gerne eure spannenden Berichte. Auch diesmal habt ihr wieder viel erlebt.- Bei uns zu Hause hat der Arbeitsalltag wieder angefangen und der Winter zeigt sich nicht von seiner schönsten Seite.....es rägelet ;-) Bestimmt kommt die weisse Pracht noch zurück. Viele liebe Grüsse Zbindis Aetzikofe

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